Einführung: Pilgerstätte für Gläubige und Sinnsuchende

Nur wenige Minuten von der B 300 entfernt liegt die Wallfahrtskirche Maria Vesperbild. In dem kleinen Ortsteil mit gleichem Namen leben weniger als 30 Menschen, doch langweilig wird es nie, da jedes Jahr über 400.000 Menschen den Gnadenort besuchen.

Die Katholische Wallfahrtskirchenstiftung Maria Vesperbild kümmert sich liebevoll um den Erhalt der Wallfahrtskirche. Die letzte große Renovierung war in den Jahren 2019 bis 2023. So bleibt der barocke Charme der Stätte erhalten. Das lichtdurchflutete reichverzierte Gotteshaus ist um 1750 im Stil des Rokoko errichtet worden.

Der Blick wird auf das Vesperbild im Hochaltar gelenkt, das bereits im 16. Jahrhundert geschnitzt wurde. Maria hält traurig ihren toten Sohn auf dem Schoß und zeigt mit einer Hand hilfesuchend zum Himmel, während Jesus mit dem Finger auf den Altar als Kraftquelle verweist.

Der zweite große Anziehungspunkt ist seit etwa 60 Jahren die im nahen Wald gelegene Grotte der Fatima-Madonna (genannt Fatimagrotte). Viele große und kleine Kerzen und ungezählte Votivtafeln legen Zeugnis dafür ab, dass hier zahlreiche Menschen Hilfe suchen und auch finden. Ein Glanzpunkt ist jedes Jahr das Fest Mariä Himmelfahrt am 15. August. Nach dem abendlichen Festgottesdienst auf der Waldwiese bei der Grotte ziehen Tausende mit Kerzen in den Händen in einer stimmungsvollen Lichterprozession durch den Wald – begleitet von Musik und Gesang. Der Endpunkt der Prozession ist die Fatimagrotte, wo ein riesiger wunderbarer Blumenteppich – umsäumt von einem Lichtermeer ungezählter Opferlichter – einen überwältigenden Eindruck macht. Der Blumenteppich lockt auch Tage danach noch Tausende an die Grotte. Zu den weiteren Höhepunkten zählt die Fahrzeugsegnung dreimal im Jahr. Gut besucht ist auch immer das Pilgeramt an Sonn- und Feiertagen um 10.15 Uhr, das auch auf die Außenbildschirme übertragen wird.

Nach wie vor wird auch das Sakrament der Versöhnung in der Beichte rege in Anspruch genommen.

Der oberhalb der Wallfahrtskirche gelegene, öffentlich zugängliche Schlosspark mit vielen Bäumen und Sträuchern aus aller Welt lädt zum Spaziergang und zur Erholung ein. Im Wallfahrtsladen kann man Andenken erstehen, beispielsweise in Form von Rosenkränzen, Kerzen, Schlüsselanhängern oder Büchern.

Im Anbetungskloster auf dem Hügel oberhalb der Wallfahrtkirche führen die Schwestern der hl. Klara ein streng beschauliches, Gott geweihtes Leben.

 

Kurzgeschichte

1650 Schlossherr Jakob von St. Vincent stellt das Vesperbild (Pieta) in die Feldkapelle
1673 Errichtung einer größeren Kapelle
1725 Bau einer Wallfahrtskirche (Der hochinteressante kreuzförmiger Zentralbau mit Kuppelrotunde wurde schon nach wenigen Jahrzehnten baufällig).
1754 Errichtung der jetzigen Wallfahrtskirche im Stil des Rokoko
1756 Weihe der Wallfahrtskirche
1788 Der Ziemetshausener Pfarrer wendet den Abbruch der Wallfahrtskirche durch die kirchenfeindliche Regierung ab (damals östereichisch).
1867-69 Die barocken Altäre, Beichtstühle und die Kanzel werden durch neuromanische ersetzt
1959-65 Die Kirche erhält wieder eine Einrichtung im Stil des Rokoko (Stiftung des Tabernakelaltars durch Fürst Eugen zu Oettingen-Wallerstein)
Die Wallfahrtspriester Benefiziat Jakob Ruf und Prälat Wilhelm Imkamp geben der Wallfahrt einen mächtigen Aufschwung.
2019-2023 Außen- und Innenrenovierung mit Vollendung des Hochaltares

Die Wallfahrtskirche

Als der Pfleger der Herrschaft Seyfriedsberg und Oberstjägermeister der Markgrafschaft Burgau, Jakob vonvon St.Vincent, 1650 das Vesperbild (Pieta) in eine Feldkapelle auf dem Weg von Ziemetshausen nach Langenneufnach stellte, wollte er offensichtlich seinen Dank zum Ausdruck bringen, dass der schreckliche Dreißigjährige Krieg endlich zu Ende war und er ihn unbeschadet überstanden hatte.
Oft und oft wird der hohe Herr bei der Mutter der Schmerzen Zuflucht gesucht und Erhörung gefunden haben.
Bald pilgerten mehr und mehr Gläubige zum Gnadenbild in der Feldkapelle.

Nachdem bereits 1673 eine größere Kapelle errichtet worden war, ging man 1725 an den Bau einer Wallfahrtskirche. Simpert Kraemer schuf einen hohen, lichten Zentralbau, eine höchst kunstvolle Konstruktion, die allerdings keine 30 Jahre überdauerte. Die Fundamente erwiesen sich als zu schwach. Allzuviele Fenster und Durchbrüche beeinträchtigten die Tragfähigkeit. Risse bildeten sich. Es bestand die Gefahr, dass das filigrane Bauwerk einstürzte. So schlimm es war, es blieb keine andere Wahl, als die Kirche abzubrechen.

Noch im gleichen Jahr, 1754, begann man mit dem Neubau. Die Arbeiten übertrug man Johann Georg Hitzelberger, einem Maurermeister aus Ziemetshausen. Er achtete auf gute Fundamente und tragfähige Mauern. So entstand der lichte Kirchenraum, den wir heute sehen. Das barocke Gotteshaus mit dem schmucken Zwiebelturm, das sich malerisch in die Landschaft einfügt, hat seitdem manche Veränderung in seiner Ausstattung erfahren, aber immer stand das Gnadenbild, die Schmerzensmutter mit dem toten Sohn, im Zentrum. Erhalten geblieben sind auch Fresken von Balthasar Riepp aus Reutte in Tirol.

Das Deckenfresko im Chorraum erzählt von der Kreuzabnahme. Maria und Johannes stehen unter dem Kreuz. Der Künstler sucht die ganze Dramatik des Vorgangs zum Ausdruck zu bringen und auch das Leid, das alle am Geschehen Beteiligten erfasst hat. Maria aber steht unter dem Kreuz. Sie ist bereit für den Augenblick, in dem man ihr den toten Heiland in den Schoß legt.
Das Wort des greisen Simeon, das er bei der Darstellung Jesu im Tempel gesprochen hat, „Deine Seele wird das Schwert des Schmerzes durchdringen“, (Bild an der unteren Empore) erfüllt sich von neuem.
Die vier Evangelisten, die in den Zwickeln des Altarraumes dargestellt sind, verkünden die frohe Botschaft, dass Jesus am Kreuz für uns gestorben ist und am dritten Tag von den Toten auferstand. Die Mutter, die unter dem Kreuz ausgehalten hat und den toten Heiland im Schoß hält, darf an der Verherrlichung des Sohnes teilhaben. Davon berichtet das Deckenfresko des Langhauses. Wir dürfen einen Blick in den Himmel werfen. Die verklärte Schmerzensmutter hält uns den Sohn entgegen. Sie ist umfangen von der Liebe des himmlischen Vaters, erfüllt mit der Freude des Heiligen Geistes. Um die Schmerzensmutter scharen sich die Heiligen. Man kann den Patron der Beichtväter, Johannes Nepomuk, erkennen, aber auch Sebastian, Laurentius und Stephanus. Bei den weiblichen Heiligen erkennen wir Barbara und Katharina. Diese beiden Heiligen nehmen auch einen Ehrenplatz am Gnadenaltar ein.

 Der Hochaltar mit dem Gnadenbild ist die Mitte der Wallfahrt. Er ist zwar erst 1959 von Anton Reissner entworfen und 1960 von Fritz Hoermann ausgeführt worden, aber diese Stiftung des Patronatsherren, des Fürsten Eugen zu Oettingen-Wallerstein, fügt sich organisch in das Bauwerk ein.

Die Mutter der Schmerzen hat hier gleichsam ihren Thron aufgeschlagen, um die Nöte der Menschen zu den eigenen zu machen.
Sie hält den toten Sohn auf ihrem Schoß und verweist mit ihrer linken Hand nach oben und will damit sagen: „Schau auf meinen Schmerz und hole in Deinem Leid die Kraft von Gott!“ Der tote Heiland weist mit seinem ausgestreckten Zeigefinger auf den Altar und den Tabernakel. Damit bringt er zum Ausdruck: "Hier bin ich für Euch da!" In der hl. Messe wird das Kreuzesopfer Christi gegenwärtig und für uns wirksam ("Das ist mein Leib, der für Euch hingegeben wird").

Die Uhr links hinter dem Chorbogen stammt noch aus der ersten Wallfahrtskirche. Indem sie uns an unsere Vergänglichkeit erinnert, ruft sie dazu auf, nach dem ewigen unvergänglichen Leben zu streben. Curios ist, dass der kleine Zeiger die Minuten und der große die Stunden anzeigt.

Die beiden Seitenaltäre entstanden 1963 – 1965. Geistlicher Rat Jakob Ruf, als Nachfolger des Rheinländers Johannes Kött (1938 – 1956) der unermüdliche Förderer der Wallfahrt, der von 1956 – 1988 in Maria Vesperbild tätig war, hat das Bildprogramm erstellt. Mariä Verkündigung und das Pfingstereignis, Bilder des Malers Jakob Heinlein, erzählen vom „Ja“ Marias zum Willen Gottes und der Stellung Marias in der Mitte der Kirche. Figuren der Heiligen Johannes Nepomuk und Sebastian (linker Seitenaltar) stammen noch aus der barocken Einrichtung. Über allem aber thront der dreifaltige und eine Gott (linker Seitenaltar), der durch den Heiligen Geist (rechter Seitenaltar) die Kirche lenkt und leitet.

Der Geist Gottes soll auch den Prediger erfüllen, der auf der Kanzel die frohe Botschaft verkündet. Auf dem Schalldeckel steht groß Jesus selber, der sein Herz verschenkt. Hat Jesus nicht wirklich ein Herz für jeden, ganz besonders aber für seine Mutter? Der Gleichklang der Herzen wird in einem Fresko über dem Gnadenaltar angedeutet. Hat Jesus nicht ein Herz für diejenigen, die mühselig und beladen unter der Kanzel sitzen? Es sind recht verschiedenartige Menschen. Die kleinen Bilder an der Kanzel charakterisieren sie. Da sind die aufmerksamen Hörer (Bergpredigt). Da sind diejenigen, die das Wort Gottes hören und es befolgen (Aussendung der Jünger). Da sind diejenigen, bei denen alles beim Alten bleibt (Paulus in Athen). Ganz gleich wie es um den Hörer steht, der Prediger muss unermüdlich den guten Samen ausstreuen (Sämann); er muss immer aufs neue seine Netze auswerfen (reicher Fischfang); er muss Gott auch das Umögliche zutrauen (Wasser aus dem Felsen). Die Mahnung zur Umkehr und Buße darf nicht verschwiegen werden. Die Einladung zur Beichte gehört zu einer Wallfahrt, wenn sie mehr als ein Ausflug sein soll.

 
Worum es bei einer guten Beichte geht, zeigen die Bilder an den Beichtstühlen der Wallfahrtskirche. Wir sehen (von rechts nach links) den reuigen Petrus, der seine Fehltritt bitterlich beweint; den heiligen Pfarrer von Ars, der nicht müde wird zu sagen „Ach, kehrt um, kehrt um!“ Maria Magdalena, der viele Sünden vergeben werden, und Jesus, den guten Hirten. Die Freude, die daraus wächst, wenn man von der Last seiner Sünden befreit wird, zeigen einige Engel an den Beichtstühlen, die vor Freude Musik machen.
Manches gäbe es noch zu entdecken, wie die zahlreichen Putten, die das Loblied Gottes singen, oder die allegorischen Fresken, die Fatimamadonna und den Kreuzweg, nicht zuletzt die Votivtafeln, die von Gebetserhörungen berichten, aber beschließen wir unseren Rundgang, indem wir mit Maria Gott preisen: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Magnifikat).

Vor der Wallfahrtskirche lädt auf der Nordseite der Marienbrunnen und auf der Südseite der "Kerkerheiland" zum besinnlichen Verweilen ein.
Auf dem uralten Pilgerweg, der Lindenallee, kommt man an einigen Bildstöcken vorbei und gelangt schließlich zur sehenswerten barocken Pfarrkirche Ziemetshausen, wo am linken Chorbogen das Grabmahl des "Gründers" von Maria Vesperbild, des Schlossherrn  Jakob von St. Vincent ist.

In der Wallfahrtskirche können Sie einen Wallfahrtsführer erwerben, der das gesamte Wallfahrtsgelände ausführlich beschreibt.

Künstlerische Baubeschreibung

Geräumiger, innen und außen pilastergegliederter Saalbau mit Flachtonne über hoher Volute, in die Stichkappen einschneiden; die beiden mittleren Achsen über leicht geschweifte, mit Pilasterpaaren besetzte Schrägen nach außen erweitert, in den ausgerundeten Ostecken Altarnischen; doppelte Westempore. Eingezogener, segmentbogig geschlossener Chor mit kreisrunder und querovaler Flachkuppel; seitlich balkonartige Oratorien. Im nördlichen Winkel quadratischer Turm mit reich gegliedertem Oktogon und Zwiebelhaube. – Feiner Rokokostuck Wessobrunner Art, um 1755; über dem Chorbogen Kartuschen mit Allianzwappen Oettingen-Wallerstein / Oettingen-Baldern. – Fresken in warmen Brauntönen von Balthasar Riepp, 1755; Chor: zwei von einem Schwert durchbohrte Herzen zwischen Engeln, seitlich Embleme, Kreuzabnahme, seitlich Evangelisten, an den Brüstungen der Oratorien Guter Hirte und Immaculata; Langhaus: Verehrung des Gnadenbildes durch Heilige, seitlich Embleme. Bild der unteren Emporenbrüstung von Hans Kögl, 1921/22. – Neurokoko-Ausstattung 1959 ff. Im Hochaltar das Gnadenbild des mittleren 17. Jhs.; die seitlichen Figuren der hl. Barbara und Katharina um 1725, vielleicht von Johann Georg Bschorer. Von ihm wohl auch Maria und Joseph am Chorbogen. Vollendung des Hochaltares 2022/23. In der rechten Nische bei der Fatima-Madonna Votivtafeln des 19. Jhs.
Nach: Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bayern III: Schwaben, bearbeitet von Bruno Bushart und Georg Paula, Deutscher Kunstverlag, Berlin 1989, S. 671 (etwas aktualisiert).

Die Grotte

Von der Wallfahrtskirche führt ein Kreuzweg zur Fatimagrotte, die im lichten Wald ganz in der Nähe mehr und mehr ausgebaut wurde. Kleine "Gebets-Oasen"  (Herz Jesu, hl. Josef, hl. Pater Pio) laden auf dem Weg zur geistlichen Einkehr ein. An der großen Waldwiese steht der Freialtar, wo besonders an Mariä Himmelfahrt (15. August) Tausende das Pontifikalamt mit einem Bischof mitfeiern und die anschließende Lichterprozession über den Schlossberg miterleben. 
In der sogenannten Grotte vor der Figur der Fatima-Madonna spürt man am deutlichsten das oft geleugnete unmittelbare Eingreifen himmlischer Mächte auf Erden. Weit über 1000 Votivtafeln aus jüngster Zeit sind in weitem Halbrund um die Marienfigur aufgestellt. Viele danken anonym mit den Worten „Maria hat geholfen“, andere erzählen mit einem kurzen Satz von Heilungen in aussichtslos erscheinenden Fällen oder von Gebetserhörungen in großer Not. Um die Figur der Maria von Fatima brennen riesige Votivkerzen, die von Pilgern gestiftet wurden. Namen aus aller Welt zeigen, dass der Ruf von Maria Vesperbild weit über die Grenzen Schwabens hinaus gedrungen ist. Info-Tafeln zeigen die Geschichte der Grotte und den geschichtlichen Zusammenhang mit den Marien-Erscheinungen in Fatima 1917 auf.

Der Pilger kann den Waldweg rechts beim hl. Pater Pio weitergehen und dann beim Wegkreuz links den Schlossberg hinaufwandern. An der Hauptstraße angelangt - kurz rechts weiter hinauf - kommt man zum Park des Schlosses Seyfriedsberg, wo ungezählte Bäume aus aller Welt zum erholsamen Spaziergang einladen. Besonders reizvoll ist dies während der Rhododendron-Blüte im Frühjahr. Auf dem Rückweg führt der Fußweg neben der Hauptstraße an der Engelskapelle vorbei. Sie erinnert an die Engelserscheinung, die die Fatimakinder 1916 hatten.

Das Gnadenbild

 

 

Das Herz der Wallfahrt ist das Vesperbild (Pieta). Es steht im Zentrum des Hochaltares, ein im 16. Jahrhundert entstandenes Schnitzwerk, das Maria zeigt, wie sie ihren toten Sohn in den Armen hält. Die herabhängende Hand Jesu weist unmittelbar auf den Tabernakel, den eigentlichen Zentralpunkt jeder Kirche. In der linken Hand hält Maria ein Tränentüchlein und scheint damit auf sich aufmerksam machen zu wollen. „Kommt zu mir, ich verstehe euch, ich habe ein ähnliches Leid wie ihr erduldet!“
Am Abend (lateinisch "Vesper") des Karfreitag wurde Jesus vom Kreuz abgenommen, wo ihn natürlich Maria voller Schmerzen in die Arme genommen hat. Damit erhielt die Darstellung den Namen Vesperbild ("Abendbild" des Karfreitag). Es braucht nicht zu wundern, dass dieses Bild sehr beliebt wurde und auch heute noch geblieben ist. Wohl jeder, der Not und Leid erleben musste, kann sich damit identifizieren.

Hinführung zum Vesperbild

Die Darstellung der trauernden Mutter Jesu mit dem Leichnam ihres Sohnes lässt sich bis ins Hohe Mittelalter zurückverfolgen und findet sich in der ostkirchlichen Kunst mindestens seit dem 11. Jahrhundert ("Beweinung Christi"). Um 1300 entstanden die ersten figürlichen Darstellungen des Vesperbildes.
Die lateinische Bezeichnung „imago pietatis“ lebt weiter im italienischen „Pietà“. Um 1500 waren von 75 Gnadenbildern im süddeutschen Raum 49 Vesperbilder.
Das Gnadenbild von Maria Vesperbild ist sicherlich nicht vor dem 16. Jahrhundert entstanden und war bei seiner Stiftung durch Jakob von St. Vincent (1650), dem damaligen Schlossherrn von Seyfriedsberg, vielleicht doch schon ca. 100 Jahre alt. Das Gnadenbild ist ohne Krone 1,16 Meter hoch, mit Krone, die ein Zusatz aus dem 18. Jahrhundert sein dürfte, 1,37 Meter; die Sockelbreite beträgt 40 cm. In der Diagonalen, von der erhobenen Hand Mariens bis zum ausgestreckten Zeigefinger des Leichnams Jesu, ergeben sich 1,10 Meter. Der Leichnam Jesu ist mit 1,20 Meter größer als die Gestalt der Gottesmutter; der dreifach unterteilte, jeweils fünfstrahlige Nimbus Jesu dürfte wie die Krone ein Zusatz des 18. Jahrhunderts sein. Mariens rechter Fuß steht höher als der linke, so ergibt sich für den Leichnam Jesu, der von der rechten Hand der Gottesmutter gehalten wird, eine angehobene Stellung, eine Schrägung, die die Zuordnung unseres Vesperbildes zum „treppenförmigen Diagonaltyp“ nahe legt. In Telgte und Gengenbach finden sich ebenfalls Vesperbilder dieses kunsthistorischen Typus.
Der linke Arm der Leiche Jesu liegt parallel zum Körper, die Hand ruht auf dem Oberschenkel, der rechte Arm fällt zu Boden, wobei der Zeigefinger der rechten Hand ausgestreckt ist. Die Leidensspuren sind deutlich zu sehen, aber keineswegs überakzentuiert. Mariens Blick richtet sich auf den Kopf Jesu mit der Dornenkrone; der Betrachter sieht das Gesicht Mariens dagegen zur Gänze. Dieses Gesicht ist ganz auf Jesus konzentriert, von Trauer gekennzeichnet, aber diese Trauer ist eine beherrschte, ja hoheitsvolle Trauer. Im Gegensatz zu diesem Ausdruck der Zurückhaltung und Beherrschung steht der auffällig erhobene linke Arm mit dem Tränentuch, letzteres wohl auch eine Ergänzung des 18. Jahrhunderts. Maria trägt ein rotes Gewand in barockem Faltenwurf, das von einem goldenen Gürtel in Hüfthöhe zusammengehalten wird; dazu einen bodenlangen goldenen Schleier mit blauer Innenseite. Das Gold des Gürtels und des Schleiers korrespondiert mit dem Gold des Lendentuches Christi. Die rote Farbe des Gewandes deutet an, dass Maria am Fuße des Kreuzes unter Schmerzen die Palme des Martyriums erworben hat.

Darüber hinaus aber gibt uns unser Gnadenbild gerade in den Eigentümlichkeiten noch einige besondere Impulse für unsere Betrachtung. Da ist die erhobene Linke; es scheint so, als ob Maria uns anhalten will. „Bleibt stehen!“, ruft sie uns zu; „geht nicht weiter, geht nicht vorbei!“ Die erhobene Hand, die uns Halt und Einhalt gebietet und unsere Aufmerksamkeit verlangt, wie nötig ist sie in unserem Leben. Die Hände Mariens sind vom Künstler des Gnadenbildes überproportional ausgeführt. Nicht nur die Linke mit dem Tränentuch, sondern auch die Rechte, die den Leichnam Jesu hält, ist besonders akzentuiert. Eine Hand, die uns aufmerksam macht, die andere Hand, die uns festhalten kann. Das Gnadenbild lädt zur Betrachtung der Hände Mariens ein. Es sind starke Hände, die zupacken können; Hände, die uns den Weg weisen; Hände, die uns halten. Auch die wichtigste Botschaft des Gnadenbildes empfangen wir von einer Hand, nämlich der rechten Hand Jesu mit ausgestrecktem Zeigefinger. Auch hiermit will der Künstler eine ganz besondere Botschaft ausdrücken. Der Finger Jesu deutet nämlich auf den Tabernakel, deutet auf den Priester am Altar, der das heilige Messopfer zelebriert. Vom Ende des blutigen Kreuzesopfers führt dieser Finger direkt zur unblutigen Vergegenwärtigung eben dieses Opfers in der heiligen Messe. Der tote Jesus weist auf den lebenden Christus im Tabernakel hin, so erweist sich das marianische Vesperbild als eucharistisches Gnadenbild. Maria macht uns mit der erhobenen Linken aufmerksam, Jesus weist uns mit dem Zeigefinger der rechten Hand den Weg zur Eucharistie. Häufig ist bei diesem Bildtypus die Figur Jesu kleiner als die der Gottesmutter, in unserem Gnadenbild nicht. Einmal mehr zeigt sich so gerade an diesem Vesperbild, dass Maria über sich hinausweist, dass Maria zu Christus führt. Jede Marienwallfahrt ist so immer auch eine Christuswallfahrt: per Maria ad Jesum.
(Vgl.: Die Wallfahrt Maria Vesperbild, Hrsg. Prälat Dr. Wilhelm Imkamp)

Vesperbilder Wallfahrtslied

Der Sohn in seiner Leidensnacht
hat sie als Mutter uns vermacht,
uns helfen ist ihr Mutterpflicht,
Maria, sie vergisst das nicht.

Manch Herz ist an Erbarmen reich,
Mariens Herz ist keines gleich.
Des Kindes Leid, des Kindes Schmerz
fühlt nur so recht ihr Mutterherz.

Drum geh‘, hast du betrübten Sinn,
nur gleich zur Mutter Gottes hin,
und alles Leid und allen Schmerz
erzähle ihrem Mutterherz!

Und sie, die Mutter Königin,
verschafft dir wieder frohen Sinn.
Drum felsenfest dich ihr vertrau‘,
sie ist ja unsere liebe Frau.

Nicht nur in Not, Bedrängnis, Leid –
nein, auch in inn’rem Glück und Freud,
ob ich verzagt, ob glücklich bin:
ich geh‘ zur Mutter Gottes hin.

Ihr übergeb‘ ich mich aufs neu,
sie helfe mir zu Lieb‘ und Treu,
dass ich in alle Ewigkeit
lobpreise die Dreieinigkeit.

 

Glockenläuten:

Kurzvorstellung von Maria Vesperbild auf der Bistumshomepage:

Kirchenportrait auf katholisch1.tv: